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Memorial vor dem Aus: Bedrohtes Erinnern

16. Dezember 2021 von Gerrit ter Horst

2019 noch realisierten wir zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung den Band »Für immer gezeichnet«, eine Übersetzung aus dem Russischen. Die Originalausgabe wurde herausgegeben von Memorial, der größten und ältesten unabhängigen Menschenrechtsorganisation in Russland und erinnert an das Schicksal russischer »Ostarbeiter«, die im Zweiten Weltkrieg nach Deutschland verschleppt wurden. Nun steht die Organisation in Russland vor dem Aus.

Dieser Tage hat die russische Generalstaatsanwaltschaft die Auflösung von Memorial beantragt. Angeblich sei die Organisation mit ausländischen Agenten assoziiert, die deren Handeln beeinflussten. Wie wichtig die Arbeit von Memorial ist, zeigt auch die Auszeichnung des Buches mit dem Jan Michalski Literaturpreis 2021. Die Jury lobt die »großartige Arbeit von Memorial International« und stellt die Wichtigkeit des Buches heraus, »welches das Schicksal von Millionen Ostarbeitern dokumentiert, die historische Wahrheit wiederherstellt und die schwierige Aufgabe übernimmt, die mündliche Erzählung vor Vernichtung und unrechtmäßiger Aneignung zu bewahren«. Die Auszeichnung macht deutlich, welch wichtige Funktion Memorial in der russischen Zivilgesellschaft, aber auch darüber hinaus hat. Das Erinnern an die Schrecken des 20. Jahrhunderts zum Verstummen zu bringen, wäre ein Schlag, der weit über die russische Öffentlichkeit hinaus für Entsetzen sorgen sollte.

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