Vor der geplanten Präsentation des Buches »Unter Sachsen«, womit am 8. Juni das Literaturfest in Meißen eröffnet werden soll, ist unter sächsischen Politikern vor Ort ein heftiger Streit entbrannt. Ein CDU-Stadtrat bezeichnete den Reportageband über Ausländerfeindlichkeit im Freistaat als »Dreck«, dessen Lesung im Rathaussaal verhindert werden solle. Er wird dabei von AfD-Politikern unterstützt. Die SPD, die Linke und der Kulturverein der Stadt sprechen sich deutlich für die Veranstaltung aus. Der parteilose Bürgermeister schweigt bisher dazu. Der Vorgang sorgt überregional für Aufsehen, Spiegel Online und Neues Deutschland berichteten bereits.
30. Mai 2017: Streit um Ratssaal geht weiter
Die Sächsische Zeitung berichtet: (…) Die geplante Vorstellung im Rahmen des Meißner Literaturfestes wird wie geplant am 8. Juni im historischen Ratssaal stattfinden. Trotz Schlechtes Kritik am Veranstaltungsort. Allerdings ist die im Anschluss vorgesehene Podiumsdiskussion über das Buch am Montag laut Stadtverwaltung »im Einvernehmen mit den Organisatoren« abgesagt worden. (…) Der Kulturverein prüfe nun, inwiefern den Auflagen entsprochen werden könne. Im Moment könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die geplante Lesung so tatsächlich stattfinden kann. (…)
31. Mai 2017: »Es soll nicht in eine Diskussion übergehen«
Erneut berichtet die Sächsische Zeitung: (…) Unterdessen erntet die Absage der geplanten Podiumsdiskussion nach der Lesung viel Kritik. So schreibt SPD-Fraktionschef Thomas Gey aus Radebeul auf Facebook: „Eine Lösung, die staunend macht. Hat denn die Verwaltung vorher nicht gewusst, um welches Buch es sich handelt? Ist die Lesung aus einem Buch, das sich kritisch mit sächsischer Politik auseinandersetzt, keine politische Veranstaltung, eine Podiumsdiskussion aber doch? Die Verwaltungsspitze der Stadt Meißen macht sich gerade vollends lächerlich!“ (…)
Auch Neues Deutschland berichtet weiter über die Debatte um das Literaturfest: (…) Ob wenigstens Fragen aus dem Publikum zugelassen werden, ist noch offen. Die Veranstalter des Literaturfestes zeigten sich überrascht und merkten an, das Programm sei der Stadtspitze um Oberbürgermeister Olaf Raschke vorab bekannt gewesen. (…)
Juni 2017: Die Veranstaltung findet statt
2. Juni: Nun berichtet auch die Frankfurter Rundschau über die Diskussionen um die geplante Buchvorstellung: (…) „Es darf gelesen werden, aber eine Diskussion im Anschluss ist nicht erlaubt. Fragen aus dem Publikum auch nicht. Meißen verpasst seinen Bürgern einen Maulkorb. Ob applaudiert, gegähnt oder gebuht werden darf, wird vermutlich noch von städtischen Juristen zu klären sein. (…)eine peinliche Sache, findet die Opposition im Landtag. Ein Armutszeugnis für Sachsens demokratische Kultur unter CDU-Regie, meint Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt, Grünen-Landesvorsitzender Jürgen Kasek spricht von einer »Bankrotterklärung«. (…)
3. Juni: MDR aktuell verfolgt die Ereignisse ebenfalls: (…) Verleger Christoph Links bleibt gelassen. Er wird die Lesung mehrerer Autoren am kommenden Donnerstag moderieren. Fragen zum Text seien da üblich. Und was die politische Diskussion anbelangt, sei man aus der DDR gewohnt, auf Privaträume auszuweichen, wenn sie im öffentlichen Raum verboten werde. Auch nach der Lesung in Meißen werde es eine solche Möglichkeit geben. (…)
6. Juni: In der Süddeutschen Zeitung ist zu lesen: (…) Wie leise oder laut, ruhig oder hitzig die Lesung von „Unter Sachsen“ auch ablaufen wird, interessant ist die Frage, ob sich der Bundesinnenminister der Streitsache noch annehmen wird. Seit 2009 ist Thomas de Maizière Schirmherr des Literaturfests in Meißen, wo er auch seinen Wahlkreis hat. (…)
9. Juni: Die gestrige Buchvorstellung mit 250 ZuhörerInnen konnte letztendlich ohne ausufernde Störungen stattfinden. Das Nachtmagazin der ARD fasst die Ereignisse noch einmal gut zusammen (ab Minute 0:12:39).